Forensische Anordnung zur Architektur der Ausstellung

Text zur Ausstellung im Haus der Geschichte Österreich

Ein Keller hielt über Jahrzehnte den Moment der Zerstörung der Synagoge in der Malzgasse 16 im Rahmen des Novemberpogroms 1938 fest verschlossen und eingelagert. Erst im Zuge von Umbauarbeiten wurden die Relikte und Zeugnisse dieses Gewaltakts entdeckt und aus der Verschüttung geborgen: Gedenksteine aus der Synagoge, Ausstellungs(bruch)stücke des ersten jüdischen Museums Wiens, Tintenfässer der Schulkinder und Papierreste aus der Schule, verkohltes Holz, eine wohl an der Zerstörung der Synagoge durch die Nazis beteiligte Brandbombe, Objekte aus Eisen, die erst seit dem Moment der Entdeckung rosten.
Ziel der Ausstellung war es, diesem Fund aus dem Keller der heutigen jüdischen Schule – gereinigt vom Bauschutt und nun selbst nicht mehr Schutt – im Haus der Geschichte Österreich in der Wiener Hofburg eine Öffentlichkeit zu geben und seine Zeugenschaft des Naziverbrechens zu aktivieren. Und dies nicht irgendwo, sondern in unmittelbarer Nähe zu einem anderen, ebenfalls mit dem Jahr 1938 verbundenen Tatort: dem Altan der Neuen Burg, landläufig „Hitler-Balkon“ genannt. Zwei Tatorte miteinander konfrontiert: „Anschluss“-Rede-diskursiv der eine, handgreiflich-destruktiv der andere.
Wie aber diesen fragilen, zerstörten, angebrannten Zeugnissen des Verbrechens Präsenz und Würde geben inmitten der prachtvollen Hofburg, neben dem mächtigen Altan?

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Text von Gabu Heindl

Gabu Heindl, “Forensische Anordnung zur Architektur”, in: Nicht mehr verschüttet. Jüdisch-österreichische Geschichte in der Wiener Malzgasse, Haus der Geschichte Österreich (Hg.), Wien, 2021

Link zur Ausstellung
Nicht mehr verschüttet. Jüdisch-österreichische Geschichte in der Wiener Malzgasse